John Maynard ist eine der bekanntesten Balladen Theodor Fontanes. Sie wurde erstmals 1886 in Berliner Bunte Mappe. Originalbeiträge Berliner Künstler und Schriftsteller veröffentlicht.
Die Ballade preist John Maynard, Steuermann eines Passagierschiffs auf dem Eriesee, auf dem gegen Ende einer Fahrt von Detroit nach Buffalo Feuer ausbricht. John Maynard bleibt „in Qualm und Brand" auf seinem Posten, bis das Schiff das Ufer erreicht, und rettet so alle um den Preis seines eigenen Lebens.
In der Nacht vom 8. zum 9. August 1841 geriet der Raddampfer Erie auf der Fahrt von Buffalo nach Erie (Pennsylvania) in Brand, nachdem eine Ladung von Terpentin und Farbe, die bei den Kesseln gelagert worden war, Feuer gefangen hatte. Das Schiff nahm daraufhin Kurs auf die acht Meilen entfernte Küste, ohne sie jedoch zu erreichen. Von den etwa 200 oder nach anderen Quellen bis zu 300 Menschen an Bord, darunter viele schweizerische und deutsche Zwischendeckspassagiere, wurden nur 29 gerettet. Der diensthabende Rudergänger Luther Fuller, der bis zuletzt auf seinem Posten ausgeharrt haben soll, überlebte schwer verletzt oder verstarb sofort, wurde jedenfalls vom Kapitän Titus in der Liste der Toten verzeichnet.
| John Maynard "Wer ist John Maynard?" "John Maynard war unser Steuermann, Aus hielt er, bis er das Ufer gewann, Er hat uns gerettet, er trägt die Kron', Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn. John Maynard."
Die "Schwalbe" fliegt über den Eriesee, Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee, Von Detroit fliegt sie nach Buffalo - Die Herzen aber sind frei und froh, Und die Passagiere mit Kindern und Fraun Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun, Und plaudernd an John Maynard heran Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann;" Der schaut nach vorn und schaut in die Rund': "Noch dreißig Minuten... Halbe Stund'."
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei - Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei, "Feuer!" war es, was da klang, Ein Qualm aus Kajüt' und Luke drang, Ein Qualm, dann Flammen lichterloh, Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.
Und die Passagiere, buntgemengt, Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt, Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht, Am Steuer aber lagert sich's dicht, Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?" Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -
Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht, Der Kapitän nach dem Steuer späht, Er sieht nicht mehr seinen Steuermann, Aber durchs Sprachrohr fragt er an: "Noch da, John Maynard?" "Ja, Herr. Ich bin." "Auf den Strand! In die Brandung!" "Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!" Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - "Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr ich halt's!" Und in die Brandung, was Klippe, was Stein, Jagt er die "Schwalbe" mitten hinein. Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so. Rettung: der Strand von Buffalo! Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt. Gerettet alle. Nur einer fehlt!
Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n Himmelan aus Kirchen und Kapell'n, Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt, Ein Dienst nur, den sie heute hat: Zehntausend folgen oder mehr, Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.
Sie lassen den Sarg in Blumen hinab, Mit Blumen schließen sie das Grab, Und mit goldner Schrift in den Marmorstein Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein: Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand Hielt er das Steuer fest in der Hand, Er hat uns gerettet, er trägt die Kron', Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn. John Maynard.
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